Nach dem Besuch der Qin-Ausstellung im Historischen Museum hat gestern die Zeit auch noch zu einem Abstecher in die Nationalbibliothek gereicht, wo aus Anlass des UNESCO-Welttages des audiovisuellen Kulturgutes eine Führung durch die Ausstellung «La Prose du Transsibérien de Blaise Cendrars et Sonia Delaunay» angeboten wurde.
Mit dem ersten „livre Simultané“, der Prose du Transsibérien et de la Petite Jehanne de France geben der Schriftsteller Blaise Cendrars und die Malerin Sonia Delaunay-Terk 1913 eines der wichtigsten Künstlerbücher des 20. Jahrhunderts heraus. Entstanden ist das Gemeinschaftswerk in der künstlerischen Aufbruchstimmung am Vorabend des Ersten Weltkriegs, die von Dichtern, Malern und Musikern wie Guillaume Apollinaire, Robert Delaunay, Fernand Léger, Pablo Picasso und Igor Strawinsky geprägt ist.
Das Buch ist eigentlich keines, sondern ein zwei Meter langes Leporello, über dessen falzbare Fläche hin sich ein langes ungestümes Gedicht und leuchtende Farb- und Formmodulationen verbinden. Sonia Delaunay illustriert also nicht einfach ein Buch, sondern der in verschiedenen Schrifttypen abgesetzte Text wird von den Bildzeichen direkt begleitet. Wort und Malerei gehen inhaltlich wie optisch eine künstlerische Synthese ein.
Die Ausstellung zeigt das Original, welches sich in der Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek befindet, und stellt es in den Kontext mit weiteren Dokumenten aus dem Archiv von Blaise Cendrars. Was mich an diesem Buchkunstwerk besonders beeindruckt hat, ist die Leuchtkraft der Farben. Da das Buch offensichtlich während einem Jahrhundert nie oder fast nie geöffnet wurde, strahlen die Farben wie frisch nach dem Druck. Ein echtes Bijou. Kein Wunder, dass es auch jetzt nur ein paar Wochen zu bestaunen sein wird. Die Ausstellung dauert nur noch bis am 16. November.