Den Kapitalismus überwinden?

(Last Updated On: November 4, 2010)

Viel zu schreiben und zu kritisieren gab die am Parteitag vom letzten Wochenende im SP-Parteiprogramm  (Medienmitteilung SPS) festgehaltene Forderung, dass der Kapitalismus überwunden werden soll. Auch ich in bin nicht glücklich mit dieser Formulierung, da sie zu sehr und zu leicht als verstaubt und altkommunistisch abgetan werden kann und ganz offensichtlich von den vielen anderen Punkten im Parteiprogramm ablenkt. Die Medien interessieren sich halt nur für das Provokative.

Nach einigem Nachdenken über diese Forderung, bin ich dann aber zum Schluss gekommen, dass die Antragssteller nicht rückwärtsgewandt sind, sondern im Gegenteil weit in die Zukunft gedacht haben, wohl zuweit für die Tagespolitk. 

Langfristig hat eine kapitalistisches Wirtschaftsystem, wie wir es heute kennen, wohl tatsächlich keine Zukunft. Dies aus folgendem Grund: Kapitalismus funktioniert nur, wenn es wirtschaftliches Wachstum gibt, mit welchem das Kapital verzinst werden kann. Freie Marktwirtschaft und Kapitalismus haben in den vergangenen Jahrhunderten ein in der Geschichte der Menschheit zuvor nie gesehenes Wirtschaftswachstum ausgelöst. Allerdings ist fraglich, dass die endlichen Ressourcen der Erde dieses Wirtschaftswachstum noch sehr lange aushalten. Das kann wie folgt veranschaulicht werden. 

Das durchschnittliche, kaufkraftbereinigte Einkommen beträgt im globalen Durchschnitt heute etwa 10‘000 international dollars pro Kopf. In der Schweiz beträgt es etwa 40‘000 international dollars (Quelle: Weltbank). In den vergangenen 50 Jahren, lag das durchschnittlich Wirtschaftswachstum eher über 3%, wovon aber ca. 1% dem Bevölkerungswachstum geschuldet ist. Da mit zunehmendem Wohlstand die Geburtenrate erfahrungsgemäss sinkt und eine stagnierende Weltbevölkerung ohnehin die Voraussetzung für das Überleben der Menschheit ist, gehe ich im Folgenden von einem langfristigen weltweiten Wirtschaftwachstum von 2% aus. Bei 2% Wirtschaftswachstum verdoppelt sich der Wohlstand alle 35 Jahre. In 70 Jahren konsumiert der durchschnittliche Mensch somit gleich viel, wie ein Schweizer heute (was an für sich sehr erfreulich ist), in 105 Jahren, gleich viel wie ein wohhabender Schweizer und in 140 Jahren wie ein sehr reicher Schweizer. In nur 200 Jahren würde der durchschnittliche Wohlstand pro Kopf (gross und klein, jung und alt) also etwa 500’000 Franken entsprechen, usw. usw. Selbst wenn die Umweltbelastung pro Dollar um den berühmten Faktor 10 reduziert wird, wäre sie immer noch 10 Mal höher als heute. 

Gut, vielleicht ist der politische wie der private Wille tatsächlich einmal vorhanden, dass Wirtschaftswachstum in immer umweltfreundlichere Technologien zu stecken, die Energieversorgung auf 100% erneuerbare Energien umzustellen und nur noch recyclte Rohstoffe zu verwenden, auch wenn das Verhalten der heute schon Wohlhabenden nicht gerade dafür spricht. Aber selbst wenn die Umweltbelastung in ferner Zukunft genügend klein und konstant gehalten werden kann, kann ich mir nicht vorstellen, was unsere Nachkommen denn tatsächlich konsumieren sollen, um über Jahrhunderte Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Zumindest beim Raum und damit beim wichtigen Konsumgut Fläche, ist die Erde nun wirklich endlich. 

Kein Wunder, dass auch die klassischen Ökonmen von Adam Smith bis John Stuart Mill zutiefst davon überzeugt waren, dass die kapitalistische Entwicklung auf einen wachstumslosen Endpunkt hinläuft: den stationären Zustand. Unendliches Wachstum war ihnen gänzlich unvorstellbar.(Die Zeit 1/99

Ohne Wachstum setzen aber riesige soziale Verteilungskämpfe ein, da wie gesagt der Kapitalist eine Rente für sein Kapital will. Vielleicht is es eine Lösung, das Kapital dann regelmässig auf die Weltbevölkerung neu zu verteilen, zum Beispiel mit Hilfe der Erbschaftssteuer, was ja aber nicht gerade den Wünschen der heutigen Kapitalisten entspricht. Oder aber, zwecks Weiterexistenz des Kapitalismus wird mittels eines weiteren Weltkrieges das Vermögen zerstört und die Menschheit beginnt wieder von vorne. Oder liegt die Zukunft der Menschheit halt doch im Weltall? Ferien im Weltraum für alle? 

Die Geschichte des Kapitalismus begann vor etwa 600 Jahren, vor 250 Jahren startete in England die industrielle Revolution. 200 oder auch 300 Jahre gehen rasch vorbei, und es ist im Interesse der Menschheit also durchaus an der Zeit, über die Zeit nach dem Wirtschaftswachstum und nach dem Kapitalismus nachzudenken, auch wenn sich Wählerinnen und Wähler nur für die nächsten 5 – 20 Jahre interessieren.

1 Kommentar

  1. Harald Jenk

    „Es gibt einen Krieg der Klassen, das ist eine Tatsache, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die diesen Krieg führt, und wir sind dabei, ihn zu gewinnen“ (Orginal: „There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning“ Zitat von Warren Buffet, gemäss Forbes der 3.reichste Mann der Welt, in New York Times, November 26, 2006

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