Im Newsletter des Mediendienstes Hälfte vom 26. März 2012 wird auf den baldigen Start der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ aufmerksam gemacht. Ich werde die Initiative wohl aus Sympathie für die Motive der Initianten unterstützen, wenn ich auch immer noch erhebliche Zweifel am Instrument an sich habe.
Die Idee ist ja schon alt. Zum ersten Mal konfrontiert wurde ich mit ihr vor wohl etwa 30 Jahren durch Gerda Hegi, Journalistin und während einigen paar Jahren Mitglied von Parlament und Gemeinderat in Köniz. Das ich das nicht vergessen habe, zeigt, dass der Vorschlag durchaus fasziniert. Wie damals bezweifle ich aber auch heute, dass das bedingungslose Grundeinkommen sein Ziel wirklich erreicht. Für einige Lebenskünstler wäre es sicher die Befreiung aus ökonomischen Zwängen. Es kann aber nur funktionieren, wenn jeder noch einen ausreichenden Zusatzverdienst hat, da die Höhe des BGE aus ökonomischen Gründen ja doch recht tief ausfallen wird. Wem es nicht gelingt, dieses Zusatzeinkommen zu erzielen, fällt zwangsläufig in die Armut, da es meiner Meinung nach keinen Sinn macht, das BGE mit Sozialhilfe zu kombinieren. Gross ist auch die Gefahr des Lohndumpings. Anstatt für das Leben ausreichende Löhne zu zahlen, würden etliche Branchen mit tiefen Löhnen quersubventioniert, was lediglich zu einem wachsenden Überangebot in zum Beispiel der Gastrobranche und im Detailhandel führen würde.
Für eine solidarische Gesellschaft
(Redaktion Hälfte / Moitié). Am 21. April 2012 beginnt die Unterschriftensammlung für die Eidgenössische Volksinitiative “Für ein Bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE).Wir stellen hier ein paar Argumente für diese Initiative zur Diskussion.
Der Text der Initiative lautet:
Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert:
Art. 110a (neu) Bedingungsloses Grundeinkommen
1 Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
2 Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen.
3 Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.
Warum und wie arbeiten wir heute?
Die allermeisten arbeiten um das nötige Geld fürs Leben und die Familie zu verdienen. Doch in der Schweiz haben wohl etwa 20 % der Bevölkerung zu wenig Einkommen für eine menschenwürdige Existenz, mit oder ohne Arbeit. Etwa 5% lassen ihr Geld arbeiten und schlagen sich mit ihren Milliardenbesitztümern bzw. ihren Millioneninvestitionen herum. Und der ganz grosse Rest der Bevölkerung arbeitet hart, damit er mehr oder weniger gut leben kann. Aber die Arbeit verursacht heute geradezu Volkskrankheiten: Stress, Depressionen, Schlaflosigkeit, Herz-Kreislaufprobleme. Wir haben mit 19% eine der höchsten Suizidraten weltweit. Mit 63 Altersjahren ist nur noch knapp die Hälfte der Menschen arbeitsfähig und erwerbstätig.
Was ist das BGE?
Im Grunde genommen ist es eine urschweizerische Institution. Seit dem Mittelalter kennen wir die kollektive Nutzung von Gemeinmarchen – Allmenden, Wälder und Alpen – nach genossenschaftlichem Recht. Diese Korporationen oder Bürgergemeinden bilden vielerorts auch heute noch die gemeinsame Lebensgrundlage für die Berglandwirtschaft. Ein anderes und konkreteres Beispiel ist die AHV. Sie ist eine dem BGE vergleichbare soziale Einrichtung für ältere Menschen. Die Forderung nach Einführung der AHV wurde erstmals um 1880 von den Gewerkschaften erhoben, bevor sie1947 in einer Volksabstimmung angenommen wurde.
Wer erhält wie viel BGE?
Alle in der Schweiz rechtmässig lebenden Personen würden monatlich ein bedingungsloses Grundeinkommen von rund 2‘500 Franken erhalten. Kinder abgestuft nach Alter. Die Höhe des Grundeinkommens wird allerdings vom Parlament in einem dem Referendum unterstellten Gesetz festgelegt werden.
Wer finanziert das BGE?
Auch die Art der Finanzierung des BGE soll das Parlament in diesem Ausführungsgesetz festlegen. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt. Welche Finanzierungsmethode wir auch immer wählen – Reichtums- oder Konsumsteuern, Finanzmarktabgaben und/oder die Umlagerung heutiger Sozialversicherungen sowie der Transfer bisheriger Sozialkosten – wir können uns das BGE in jedem Fall leisten.
Was ändert das BGE?
Vieles. Die Arbeit wird gerechter verteilt. Jede und jeder wird sich seine Ausbildung und seine Arbeit selber auswählen können. Persönliche und soziale Interessen und Fähigkeiten kommen dabei viel mehr zur Entfaltung. Und dadurch wird unsere Gesellschaft solidarischer.
Hallo Harald, irgenwie „stolpere“ ich immer wieder über Dich 🙂
Am Samstag war ich am Startfest der Initiative und ich sehe es ähnlich wie du. Bin auch noch ein wenig skeptisch wegen der Umsetzung. Doch je länger ich mich mit dem Thema beschäftige desto mehr bin ich überzeugt, dass sich die Idee laufend weiterentwickelt und irgend einmal unserem auf Sand gebauten Sozialsystem ein Fundament geben wird. Dennoch war ich am Fest der einzige Rollifahrer, wohl aufgrund der von dir erwähnten Furcht vor der Armutsfalle…
Ich engagiere mich ein wenig in der Berner Regionalgruppe des Grundeinkommens. Ich freue mich, wenn du die Initiative tatsächlich aus Sympathie unterstützt.
Von Mai bis Juni findet in Bern eine Veranstaltungsserie statt. Bei Interesse sende ich dir gerne Unterlagen.
Alles Gute und Liebe Grüsse
Urs