Die Kritik von Thomas Allenbach mit dem Titel „Atomphysiker spurlos verschwunden“ (Tagesanzeiger vom 10. September 2010) hat mich an meinen letzten Besuch in der Kunsthalle Bern erinnert, wo ich mir ebenfalls die Ausstellung „The Majorana Experiment“ von Marco Poloni angeschaut habe.
The Majorana Experiment setzt sich mit der Geschichte des italienischen Physikers Ettore Majorana auseinander, der 1938 unter mysteriösen Umständen auf einer Bootsfahrt von Palermo nach Neapel verschwand. Majorana, der mit Heisenberg und Fermi bekannt war, war zum Zeitpunkt seines Verschwindens erst 31 Jahre alt und galt als einer der brillantesten Physiker seiner Generation. Seine wichtigsten Arbeiten beschäftigten sich mit der Kernphysik und relativistischen Quantenmechanik, mit Anwendungen insbesondere in der Theorie der Neutrinos. Um Majoranas letzte Bootsfahrt ranken sich eine Vielzahl von Legenden und Verschwörungstheorien. Poloni begreift Majoranas Schicksal als Parabel auf die „versteckte Geschichte der Erfindung nuklearer Waffen“ – eine besonders populäre Theorie zum Verschwinden des Physikers geht nämlich davon aus, dass dieser das nukleare Wettrüsten antizipierte und aus Verzweiflung darüber entweder Selbstmord beging oder in einem anderen Land untertauchte. Besonders mit letzterer Möglichkeit spielt Poloni.
Die Spekulationen von Poloni um das Schicksal des verschwunden Atomphysikers Ettore Majorana sind durchaus faszinierend, vor allem auch weil er sich für seine Reflexionen ganz unterschiedlicher Mittel bedient. Als Besucher habe ich aber nicht nur gerätselt, welche Thesen über das Verschwinden den wahrscheinlich sein könnten, sondern auch welche der von Poloni gezeigten Dokumente denn überhaupt echt sind. Dass Poloni in Theheran zufällig bei einem Trödler über eine alte Filmrolle stolpert, welche eventuell Majorana auf dem Atlantikdampfer Oceania bei der Überfahrt nach Südamerika zeigt, klingt doch sehr unwahrscheinlich. Beim Betrachten dieses Filmes hatte ich vielleicht auch ein bisschen zu wenig Geduld, aber eine menschliche Figur war jedenfalls nie erkennbar, sondern nur Flecken.
Die Ausstellung dauert noch bis zum 10. Oktober 2010
Montag: geschlossen
Dienstag – Freitag: 11 – 18 Uhr
Samstag/ Sonntag: 10 – 18 Uhr