Schon zwanzig Jahre ist es also her, dass die Mauer gefallen ist. Es gibt also schon eine ganze Generation Europäerinnen westlich und östlich der ehemaligen Mauerlinie, die die Zeit vor dem Mauerfall gar nicht mehr selber erlebt hat. Als ich ein Kind war, war die Mauer ein Dauerthema. Für mich war sie schon immer da und ihr Fall oder Aufhebung zwar vorstellbar aber auf eine unbestimmte Zukunft verschoben. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie 1984 bei einem Besuch in Westberlin auch für einen Tag einen Ausflug nach Ostberlin gemacht habe. Die Stimmung war sehr seltsam, natürlich auch weil ich niemanden kannte und allein herumspazierte. Die Häuser und die Verpackung der Produkte in den Geschäften sahen etwa so aus, wie ich mir bei uns die 50er und 60er-Jahre vorstellte. Die Milch gab es zum Beispiel noch im originalen? Tetrapack. (Passende Bilder dazu gibt es auf dem Blog AISTHESIS ). Und nur ein paar Jahre später, fiel die Mauer zusammen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass dies doch erst vor kurzem geschehen, dabei ist für mich die Zeit mit einem Europa ohne Mauer schon fast gleich lang wie die Zeit mit einem Europa mit Mauer. Das zeigt mir wie prägend Erlebnisse sind, die man als Kind oder Jugendlicher gemacht hat, und das macht es vermutlich für viele auch so schwer in politischen Fragen, wie zum Beispiel der Aufgabe und der Form der Schweizer Armee, umzudenken. Die Mauern in unseren Köpfen sind wohl langlebiger als die Mauern aus Stein und Beton.
In seinem heutigen Artikel ruft der Stadtwanderer aus gegebenen Anlass die Dominotheorie in Erinnerung, der Berliner Hauptstadtblog zitiert einen passenden Spruck von Erich Kästner und auch die Augenreiberei macht sich ein paar lesenwerte Gedanken zu Mauern.
Das französische Fernsehen hat gestern auch viele Stunden den Jubiläumsfeiern gewidmet und France 3 hat unter anderem den Franzosen Jean-Paul Sfez präsentiert, welcher anscheinend als Erster angefangen die Mauer Hammer und Meissel abzubrechen.