Früher war Ritalin in den Medien ein regelmässiges Thema, weil es Kindern immer häufiger im Zusammenhang mit ADHS verabreicht wurde. Kürzlich hatte ich auch mal einen Artikel gelesen, dass nun auch Studenten immer häufiger zu Ritalin greifen, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Das wird auch bestätigt, wenn man in Google das Stichwort Ritalin eingiebt, denn da werden zunächst vor allem Kombinationen wie „Ritalin kaufen ohne Rezept“, „Ritalin zum Lernen“ oder „Ritalin bestellen online“ vorgeschlagen.
Als gestern im Bus zwei junge Leute begannen über Ritalin zu sprechen, konnte ich deshalb nicht widerstehen, mitzulauschen, und das was ich verstanden habe, hat mich ehrlicherweise geschockt. Wenn ich es richtig verstanden habe, handelte es sich noch um Lehrlinge, welche in der Gastrobranche und im Verkauf eine Ausbildung machen. Beide schwärmten fast davon, wie ihnen Ritalin hilft, sich bei ihrer Arbeit zu konzentrieren und anscheinend auch noch beim Gewichtabnehmen. Drogen als Zeichen der Rebellion gegen die Elterngeneration sind also anscheinend vorbei, die Jugend von heute nimmt Drogen zur Leistungssteigerung. Produktitvität statt Kreativität.
Ich neige eigentlich nicht zu Kulturpessimismus, aber das was ich gestern mitgekriegt habe, hat mich dann doch sehr an Aldous Huxleys Roman „Brave New World“ erinnert, wo die arbeitenden Bevölkerung mit der Droge Soma ruhiggestellt wird. Mit der Verschreibung von Ritalin und ähnlichen Präaraten gegen ADHS wurde anscheinend einer Entwicklung der Weg frei gemacht, deren Ausgang noch nicht absehbar ist, auch weil die Pharamindustrie damit viel Geld zu verdienen scheint.
Gemäss der Studie «Doping am Arbeitsplatz und in der Bildung in der Schweiz» – diese wurde im Auftrag der Suva vom Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) der Universität Zürich durchgeführt – gaben zwar nur vier Prozent an, mindestens einmal verschreibungspflichtige Medikamente oder Drogen eingenommen zu haben, um ihre Leistung zu steigern oder ihre Stimmung zu verbessern. Bei Jugendlichen in Ausbildung liegen die Werte aber deutlich höher (Medienmitteilung SUVA). Wie man in 20-Minuten lesen konnte, gibt es auch bereits einen Schwarzmarkt für diese rezeptpflichtigen Medikamente.
Ich finde diese Entwicklung besorgniserregend, gerade auch wenn ich an meine eigenen Kinder denke. Mehr Repression scheint mir wie auch bei anderen Drogen aber der falsche Weg. Wichtig wäre meiner Meinung nach, dass der Konsum und die Gefahren von leistungssteigernden Drogen an den Berufsfachschulen regelmässig thematisiert werden, und die Arbeitsmedizin sich nicht damit begnügt, die Entwicklung zu beobachten.
Lesenswert zum Thema Ritalin und Lernen finde ich einen schon vor fünf Jahren erschienen Artikel in der Zeit, in dem ein Arzt wie folgt zitiert wird:
Wenn man anfängt, seine Affekte mit einer Pille zu kontrollieren, ist man kein Mensch mehr. Dann ist man ein Roboter.
Womit wir wieder beim Soma aus Brave New World sind.