Die Geografen Christian Schwick, Jochen Jaeger, René Bertiller und Felix Kienast (www.geographen.ch) haben die Zersiedlung der Schweiz von 1932 bis 2002 mit verschiedenen Messgrössen zahlenmässig erfasst. Ihre Schlussfolgerung im Buch „Zersiedelung der Schweiz – unaufhaltsam?“ ist für mich nicht überraschend aber trotzdem sehr betrüblich: Die Zersiedelung der Schweiz war noch nie so hoch wie heute, und sie steigt kontinuierlich weiter an. Allein zwischen 1951 und 2002 hat sich die Zersiedelung verdoppelt. Die Landschaft ist an vielen Orten kaum wieder zu erkennen. Immer mehr Agrarland mit hochwertigen Böden geht dauerhaft verloren. Schützenswerte Landschaften büssen zunehmend ihren einmaligen Charakter ein. Die langfristigen Folgen sind alarmierend. Immer deutlicher wird sichtbar, dass die bisherige Siedlungsentwicklung an ihre Grenzen stösst.
Meine Erklärung für diese erschreckende Entwicklung ist folgende. Während es für viele Umweltprobleme technische Lösungen gibt, welche zwar etwas kosten, die Wahlfreiheit aber nicht einschränken, bedeuten der Schutz von Kulturland und Landschaft eine klare Einschränkung sowohl für die Bürgerinnen und Bürger aber auch für die Gemeinden. Dabei ist nicht die wachsende Anzahl Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf das Problem sondern wo und wie diese Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden. Einfamilienhäuschen mit Umschwung egal ob auf dem Lande oder in der Agglomeration brauchen nicht nur viel mehr Platz als ein städtische Wohnsiedlung oder ein Hochhaus sie verursachen vor allem auch den Bau von viel mehr Strassen. Ein weitere Ursache sind die häufig viel zu kleinen Gemeinden, welche alle am Halten der Wohnbevölkerung oder gar einem gewissen Wachstum interessiert sind, um ihre Infrastruktur finanzieren zu können. In flächenmässig grossen Gemeinden wie Köniz ergibt sich eine gemeindeinterner Finanzausgleich und sie können ihre Bauzonen deshalb an geeigneten Lagen konzentrieren, während in Gegenden wie dem Kiesental, wo jedes Dorf eine eigene Gemeinde ist, überall mehr oder weniger planlos gebaut wird. Nur wenn die Gemeinden zu deutlich grösseren Einheiten fusionieren und die Gemeinden durch eine bessere Planung ihre Kosten für Infrastruktur und Dienstleistungen senken können, wird es gelingen, die zunehmende Ausbreitung des Siedlungsbreis und des damit verbunden Verkehrswachstums zu stoppen. Grössere Gemeinden sind auch handlungsfähiger. Die Uneinigkeit der Gemeinden in der Region Kiesental betreffend der Nutzung von Schloss Wyl zeigt exemplarisch, welchen Aufwand die Zersplitterung für die Organisation regionaler Projekte verursacht und wie diese deshalb auch häufig zum Schaden der Region aber auch des Kantons scheitern. In den Städten müssen die Quartierstrassen vom Autoverkehr befreit werden, damit für die Quartierbewohner und insbesondere für die Kinder wieder genügend Spiel- und Erholungsraum zur Verfügung steht. Tiefgaragen entlang der Sammelstrassen könnten eine Lösung sein, noch besser ist aber natürlich der Verzicht auf das private Stehzeug und die gemeinsame Nutzung von Carsharing-Fahrzeugen (Mobility).
Die Zersiedelung ist nicht unaufhaltsam, aber es braucht ein Umdenken. Die Zahl der Gemeinden in der Schweiz muss um mindestens einen Faktor 5 reduziert werden (Glarus geht als Beispiel voran) und die Wohnquartiere müssen vom Autoverkehr befreit werden.
Zersiedelung der Schweiz bekämpfen: Das geht nur mit einem Einzonungsstopp auf nationaler Ebene!
Ein Einzonungsstopp für Bauland, wie ihn die Landschaftsschutzinitiative vorsieht, ist das einzig wirksame Mittel, um die Zersiedelung langfristig in den Griff zu bekommen. Falls der Siedlungsdruck auf die Agglomerationen anhalten sollte, sind die Agglomerationsgemeinden gefordert, die Bauzonenbestimmungen so anzupassen, dass qualitativ hochwertiges, verdichtetes Bauen rasch möglich wird. Wenn die Landgemeinden zum Wohnen unattraktiv sind, wird dort der Siedlungsdruck auch bei relativ tiefen Baulandpreisen und grossen Bauzonenreserven bescheiden bleiben.
Das Dümmste wäre es, die in den letzten Jahren erfolgte starke Zuwanderung in die Zukunft fortzuschreiben, eine solche Trendprognose als Zielvorgabe zu nehmen und die letzten Grünflächen in den Agglomerationen zu überbauen. Nur mit einer Verknappung des Baulands und steigenden Baulandpreisen ist eine Siedlungsverdichtung hinzukriegen. Wenn das heute übermässige Bevölkerungswachstum dadurch gebremst würde, wäre das auch kein Schaden. Alex Schneider, Küttigen