Welche Wirtschaftspolitik braucht der Kanton Bern?

(Last Updated On: Juni 6, 2013)

Wenn man heute den Artikel in der Berner Zeitung über den gestrigen zweiten Teil der Forumsgespräche „Der Kanton Bern: Stadt und Land müssen sich bewegen“  an der Uni Bern liest, könnte man meinen, ich und der Jorunalist seien nicht an der selben Veranstaltung gewesen oder aber wir interpretieren das Gehörte sehr unterschiedlich.

Mein Fazit des gestrigen Abends ist, dass sich der Kanton Bern unter Wert verkauft, wie es auch Professor Cottier kritisiert.   Ein wichtiger Grund dafür ist meiner Meinung nach , dass sowohl in der Politk wie in den Medien seit Jahren die Steuersätze für natürliche Personen die Diskussion dominieren. Über die effektive erbrachten Leistungen  (Bruttoinlandprodukt)  wurde bis vor kurzem dagegen kaum gesprochen. Mittlerweile hat aber auch der Kanton Schwyz angesichts seines inferioren PIBs Zweifel an seiner Wirtschaftspolitik bekommen. Als Bundesangestellter freut es mich natürlich, wenn Prof. Cottier sagt, dass der Wert der Arbeit der Bundesverwaltung nicht genügend geschätzt wird. Das wenig dynamische Bild des Kantons Bern hat natürlich auch damit zu tun, dass wir das Bild des Landwirtschaftskantons nicht zuletzt auch aus touristischen Interessen pflegen und die Schweizer Landwirtschaftspolitik im Gegensatz zur freihandelsorientierten Industriepolitik sehr defensiv und strukturerhaltend ist, wie der Vergleich von Prof. Brunetti schön aufgezeigt hat.

Das Bild wird auch verzerrt, weil gerade die Geberkantone im nationalen Finanzausgleich ihren Reichtum bzw. ihre Steuerkraft nicht besonders guten Produkten verdanken, sondern dem Bankgeheimnis und/oder einem parasitären Steuersystem, welches zum Beispiel von Rohstoffhändlern und Holdings ausgenutzt wird, um im Ausland erzielet Gewinne rein aus Steuerzwecken in die Schweiz zu verschieben. Diese Steuersysteme geraten international zu recht immer mehr unter Druck und wenn sie dereinst fallen, wird sich zeigen, dass die Wirtschaft vieler heute gelobter Kantone auf tönernen Füssen stand. Die Wirtschaft des Kantons Bern, welcher der grösste Industriekanton in der Schweiz ist, beruht dagegen viel mehr auf echter Qualität und Innovation. Bloss wirft dies nicht soviel Gewinn ab, was teilweise auch dem starken Franken zu „verdanken“ ist. Da stellt sich auch die Frage, ob der überbewertete Franken teilweise ein Folge der oben erwähnten Steuerpolitik und des Bankgeheimnisses ist.

Der BZ-Journalist kritisiert mit einem Zitat von Prof. Brunetti auch die  „Visionen“ des Berner Volkswirtschaftsdirektors Andreas Rickenbacher.  Vermutlich ist er in der Pause gegangen, sonst hätte er noch gehört, dass der efolgreiche Unternehmer Willy  Michel ein Medizincluster durchaus für sehr sinnvoll erachtet und auch eine grössere Fachhochschule fordert. Ich bin einverstanden mit Brunetti, wenn er sagt, die Politik soll in der Wirtschaft ermöglichen und nicht lenken. Aber auch das Ermöglichen braucht Investionen der öffentlichen Hand und damit eine Prioritätensetzung und damit eine Vision, wohin der Weg gehen soll. Eine Vision ist die Visualisierung eines Ziels und nicht ein Hirngespinst. Sie kann auch helfen verkrustete Denkstrukturen und Verhaltensweisen aufzubrechen.

Die Diskussion mit den vier Wirtschaftsvertretern nach der Pause war sehr interessant, auch wenn sie die Fragen von Prof. Messerli eher ausweichend beantwortet haben. Es zeigt sich meiner Meinung aber auch, dass das was aus Sicht eines Unternehmens oder Branche sinnvoll ist, es nicht unbedingt auch aus der Sicht des Gesamtkantons sein muss. Macht es wirklich Sinn mit kantonalen Geldern Zufahrtsstrassen zu Tourimusorten auszubauen oder Grossanlässe zu subentionieren, wenn in der Hotellerie dann gar keine hohen Löhne bezahlt werden können und billige Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt werden müssen, deren Kinder dann wieder von kantonal bezahlten Lehrern unterrrichtet werden? Leider erst gegen Schluss, stellte Willy Michel richtig fest, dass es gilt die Produktivität und den Ertrag pro Arbeitskraft zu steigern. Eine solche Wirtschaftspolitik würde sich teilweise wohl gegen die Interessen der bestehenden Branchen richten und hat es natürlich entsprechend schwer in den Parlamenten Mehrheiten zu finden.

Aus dem Publikum wurde auch noch die Frage gestellt, wie man die Grossräte dazu bringt nicht in erster Linie für ihre Region sondern im Interesse des Gesamtkantons zu handeln. Ich konnte dazu feststellen, dass der Grosse Rat trotz viel verbaler Schaumschlägerei, die wichtigen Projekte in der Agglomeration Bern bisher noch immer genehmigt hat, wie gestern z.B. den Rahmenkredit für den Ausbau des Bahnhofs Bern und das Tram Region Bern. Die regionalen Wahlkreise haben allerdings zur Folge, dass manchmal auch weniger nötige Investitionen getätigt werden.

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